Wahrnehmung ist immer subjektiv
Eine ehemalige Klientin erzählte immer wieder von ihrer Unzufriedenheit mit ihrem Partner und der Beziehung.
Ihrer Meinung nach war er viel zu albern und kein „richtiger Kerl“.
Irgendwann aber kam sie durch die Tür und konnte kaum abwarten, mir zu erzählen, was passiert sei:
Es gab in der Wohnung einen Notfall, bei dem eine größere Überschwemmung drohte. In dieser Situation handelte ihr Freund zügig, pragmatisch und souverän – so, wie sie ihn sonst selten wahrgenommen hat.
Im Laufe der Sitzung erkannte die Klientin, dass sie ihn fast ausschließlich gemäß ihrer Erwartung behandelt hat – so dass er das Spiel im Sinne der Harmonie einfach mitgespielt hat, ohne sich großartig Gedanken darüber zu machen, was zwischen ihm und seiner Partnerin eigentlich gerade passiert.
Inhaltsverzeichnis
Die Klientin hat also nicht seine Persönlichkeit beobachtet, sondern lediglich das Spiegelbild ihres Verhaltens in ihrem Partner gesehen.
Ihre Erwartung hat also ihre Wahrnehmung ihres Partners beeinflusst und ihre Wahrnehmung und ihr Verhalten haben sich gegenseitig bestätigt.
In diesem Zuge fiel mir folgendes Experiment ein, bei dem es auch um Erwartung und Wahrnehmung ging:
In den 1960er Jahren führten die beiden Forscher Robert Rosenthal und Lenore Jacobson an einer Grundschule in Kalifornien das Pygmalion-Experiment durch.
Mit diesem Experiment wollten die beiden Forscher untersuchen, ob die Erwartungen der Lehrer die Leistungen der Schüler beeinflussen können.
Die Schüler wurden scheinbar einem Test unterzogen, woraufhin sie jedoch völlig willkürlich in neue Klassen verteilt wurden.
Den einen Lehrern wurde erzählt, dass sie es mit einer Klasse voller begabte Schüler zu tun hätten, den anderen Lehrern wurde mitgeteilt, sie hätten eine Klasse voller Problemfälle.
Und obwohl beide Klassen völlig willkürlich zusammengesetzt waren, hat die Klasse mit den angeblich begabten Schülern deutlich bessere Ergebnisse erzielt, als die Klasse mit den vermeintlichen Problemfällen.
Erwartungen
Was ist passiert?
Alleine die Erwartungshaltung der Lehrer, es entweder mit hochbegabten Kindern oder mit Problemfällen zu tun zu haben, hat demnach Einfluss darauf gehabt, wie die Kinder sich entwickelt haben.
Kurz gesagt könnte es heißen: „ wenn du mir alles zutraust, dann bin ich zu vielem in der Lage.“
Wenn Sie möchten, dann überlegen Sie jetzt, wie Sie folgende Menschen sehen:
- Ihren Partner
- Ihren Chef
- Ihre Kollegen
- Ihre Eltern
- Ihre Kinder
- Ihre Freunde
Beantworten Sie sich doch mal die folgenden Fragen:
- In wessen Gegenwart fühlen Sie sich so richtig wohl?
- Wessen Gegenwart ist für Sie eigentlich nur schwer zu ertragen?
- Bei wem empfinden Sie Ruhe?
- Bei wem empfinden Sie Stress?
Welche Konsequenzen möchten Sie am liebsten daraus ziehen?
Die fünf Menschen
Genau deswegen hat Jim Rohn mit seiner Idee, dass wir alle der Durchschnitt der fünf Menschen sind, mit denen wir uns am meisten umgeben, Recht.
Jeder Mensch hat ein Bild vom Gegenüber. Das passiert ganz automatisch und ist wieder gut noch schlecht.
Problematisch wird es dann, wenn das Bild starr ist. Denn dann hat das Gegenüber eine ungleich geringere Chance, sich zu verändern.
Ein Klient sagte mal: „Immer wenn ich die Schwelle meines Elternhauses übertrete, werde ich ein Stück weit wieder Kind.“
Das liegt natürlich nur zum Teil an dem Gebäude, hauptsächlich aber an der Art und Weise, wie seine Eltern ihn behandeln.
Diese Eltern sind nicht „mitgewachsen“. In ihrer Wahrnehmung ist ihr Sohn immer noch der kleine, süße, unselbstständige Bengel.
Aus diesem Grund kann es manchmal auch problematisch sein, zu enge Bindungen, wie zum Beispiel Freundschaften, über einen zu langen Zeitraum zu pflegen. Es besteht die Gefahr, dass sich in der Wahrnehmung der anderen ein starres System bildet, innerhalb dessen für Sie kaum eine Entwicklungsmöglichkeit besteht.
Deswegen achten Sie immer darauf, ob Sie sich von den Menschen in Ihrem Umfeld noch adäquat gesehen fühlen. Falls nicht, müssen Sie etwas verändern. Das kann auf ein klärendes Gespräch hinauslaufen, aber auch auf eine Distanzierung.
Selbsterfüllende Prophezeiung
Ein weiterer Punkt, über den unsere Persönlichkeit beeinflusst werden kann, ist die selbsterfüllende Prophezeiung. Sie funktioniert wie folgt: wenn jemand Angst hat, dass der Partner ihn verlassen könnte, kann es sein, dass er anfängt zu klammern, was den Partner letztendlich zur Trennung bewegt.
Allgemein formuliert: ich versuche, ein Ergebnis zu erhalten oder zu verhindern und verhalte mich unbewusst so, dass genau das eintritt, auf das ich meine Aufmerksamkeit richte.
Im obigen Beispiel geht die Aufmerksamkeit dahin, dass der Partner einen verlässt.
Genauso destruktiv verhält es sich mit der Angst, bei einer Prüfung durchzufallen, in der man dann vor lauter Angst so nervös ist, dass man tatsächlich durchfällt.
Richtet man die Aufmerksamkeit jedoch auf Zustände, die für einen selbst positiv sind wie zum Beispiel:
- eine glückliche Partnerschaft
- beruflichen Erfolg
- einen bestimmten Wohnort
dann ist die Chance groß, auch diese „Prophezeiungen“ selbst zu erfüllen.
Allerdings fällt es den meisten Menschen viel leichter, dieses Konzept unbewusst anzuwenden und damit Schwierigkeiten ins Leben zu ziehen, als es bewusst anzuwenden und ein Leben zu führen, das den eigenen Wünschen gerecht wird.
Seien Sie also achtsam!
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