Verlust
Ich höre in meiner Praxis immer wieder, dass Menschen Angst davor haben, bestimmten anderen Menschen auf der Straße zu begegnen.
Meistens handelt es sich dabei um Menschen, mit denen ein Verlust – Gefühl verbunden ist. In erster Linie geht es um Ex-Partner, die einfach gegangen sind oder Schluss gemacht haben. Manchmal handelt es sich aber auch um Elternteile, zu denen seit Jahren kein Kontakt mehr besteht.
Immer wieder wird in den Sitzungen deutlich dass es sich nicht um die Angst handelt,
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diesen Menschen zu begegnen, sondern vielmehr um die Angst, den eigenen Gefühlen, die mit diesen Menschen verknüpft sind, zu begegnen.
Verdrängen von Schmerz
Wie alle neigen dazu, den eigenen Schmerz und eigene schmerzhafte Erfahrungen zu verdrängen, anstatt uns mit ihnen soweit auseinander zu setzen, dass wir einen inneren Frieden erlangen. Dieses Verdrängen funktioniert aber nur genau so lange, bis uns die entsprechende Person gegenübersteht.
Gibt es auch in ihrem Leben Menschen, denen sie lieber nicht begegnen möchten? Wenn ja: welche Gefühle sind noch mit diesen Menschen verknüpft? Ist es Wut, Enttäuschung, Traurigkeit, Liebe, Schmerz, Sehnsucht?
Oder handelt es sich dabei um noch ganz andere Gefühle?
Was soll ich tun?
Das ist im Zusammenhang mit dem Thema „Schmerz“ wahrscheinlich die Frage, die meine Klienten – in verschiedenen Variationen – am häufigsten stellen. Und die Frage ist häufig ein Indikator dafür, dass jemand mit sich und seinem individuellen Schmerz ungeduldig ist und ihn verändern möchte, ohne ihn zu fühlen.
Erfahrungsgemäß muss man Gefühle aber fühlen, um sie loszulassen. Vor dem Loslassen muss man sie als gewissermaßen einmal in die Hand nehmen, ausgiebig betrachten und wertschätzen, um sich dann ganz bewusst von ihnen zu verabschieden.
Natürlich klingt das im ersten Augenblick nicht verlockend, wenn Sie sich jedoch auf diesen Prozess einlassen, werden Sie erstaunt sein, wie angenehm das Gefühl ist, wenn sie von der Last befreit sind.
Um die Eingangsfrage zu beantworten: Nein. Nicht sofort verändern. Gönnen Sie sich die Erfahrung, dass Sie in der Lage sind, Ihren Schmerz auszuhalten. Wenn Sie diese Hürde nehmen, werden Sie überrascht sein, was passiert. Im Detail sind die Veränderungen natürlich verschieden, aber häufig geht mit dem bewussten Zulassen von Schmerz ein innerer Wachstumsprozess einher. Viele Menschen fühlen sich innerlich ausgeglichener, stabiler, souveräner, unabhängiger und stärker und können im Rückblick manchmal sogar nicht mehr verstehen, warum sie vor diesem Schritt so lange zurückgeschreckt sind.
Der verschwundene Kater
Ein Klient erzählte einmal die folgende Geschichte:
„Wir hatten früher einen Kater. In meiner Jugend sind wir in ein neues Haus in einem anderen Stadtteil gezogen. Der Kater blieb natürlich die ersten Wochen im Haus, um sich daran zu gewöhnen dass er jetzt in einer anderen Umgebung lebt. Nach ein paar Wochen aber durfte er auch die neue Gegend erkunden, und ist auch immer zuverlässig wieder zurück gekommen. Aber eines Tages kam er nicht wieder nach Hause. Und auch am nächsten und am übernächsten Tag kam er nicht wieder. Er kann überhaupt nicht wieder zurück zu uns.“
Der Klient war damals 14, und sein Leben fing gerade erst an zu starten: Musik, Partys, Mädchen – das alles waren spannende neue Erfahrungen die sich schnell über diesen Verlust ablagerten.
„Und doch gab es vor einigen Jahren eine Situation, in der mir der Atem stockte“, erzählte er weiter.
„Ich fuhr zu meinen Eltern, um sie zu besuchen, stieg aus dem Auto und näherte mich dem Haus. Auf dem Weg von der Straße zum Haus saß eine Katze die unserem damaligen Kater sehr, sehr ähnlich sah.
Natürlich wusste ich, dass unser Kater mittlerweile fast 40 Jahre alt sein müsste, was für eine Katze absolut unmöglich ist. Aber mir wurde in diesem Moment bewusst, dass ich immer noch unverarbeitete Gefühle bezüglich dieses Verlustes mit mir herumgetragen habe.“
Ich habe mich für einen Moment wieder so gefühlt, als wäre ich 14 und meine Eltern hätten mir gerade gesagt, dass wir ihn wohl nicht wiedersehen würden.“
Wir haben uns dann genau dieser Situation, die er mit 14 Jahren erlebt hat, und der damit verbundenen festsitzenden Trauer gewidmet.
Der Klient durfte sich bewusst von seinem geliebten Kater verabschieden und den seit vielen Jahren festsitzenden Schmerz fühlen und loslassen.
Im Zuge dessen wurde deutlich, dass er auch die Gefühle bezüglich eines anderen Ereignisses verdrängt hatte. Seine Eltern hatten damals nämlich eine schwierige Phase. Sie stritten fast jeden Abend. Er konnte mir nicht sagen, worum es ging, aber die Angst und die Traurigkeit, die er damals nicht aushalten konnte, durften nun endlich sein.
In den folgenden Tagen und Wochen hat sich der Klient viel mit dem Verlust seines Katers beschäftigt und hat mittlerweile schon einen gewissen inneren Frieden gefunden. Er hat akzeptiert, dass sein Kater nicht mehr Teil seines Lebens ist.
Akzeptanz ist der Weg in die Freiheit
Sie sehen, dass Gefühle, die beispielsweise durch einen Verlust entstanden sind, auch nach vielen Jahren noch reaktiviert werden können. Das bedeutet, dass sie bis zum Zeitpunkt des Loslassens permanent Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Handeln haben. Auch, wenn wir uns so an sie gewöhnt haben, dass wir sie bewusst gar nicht mehr wahrnehmen können.
Wie sieht es also wirklich in jemandem aus,
- der aus heiterem Himmel verlassen wurde?
- dessen Partner völlig überraschend verstorben ist?
- dessen Kinder nichts mehr mit ihm zu tun haben möchten?
- dessen bester Freund im Ausland spurlos verschwunden und nie wieder aufgetaucht ist?
Nicht nur im Fall des verschwundenen Katers werden Gefühle, die im Zusammenhang mit einem Verlust entstanden sind, einfach verdrängt. Eine Konfrontation mit der betreffenden Person oder der entsprechenden Situation löst diese Gefühle zwangsläufig wieder aus. Im NLP spricht man davon dass diese Gefühle verankert sind.
Um sich wieder wirklich frei bewegen zu können, ist es nötig, diese Gefühle zu erkennen, wahrzunehmen und letztlich soweit zu akzeptieren, dass man keine Angst mehr vor ihnen haben muss. Die meiste Angst haben wir Menschen in der Regel ohnehin vor dem was wir nicht kennen. Und dazu gehören auch verdrängte Gefühle.
Wenn Sie also feststellen, dass sie Angst davor haben, einer bestimmten Person zu begegnen, oder in eine bestimmte Situation zu gelangen, dann stellen Sie sich die Frage, welche Gefühle mit dieser Situation oder dieser Person verbunden sind. Sobald Ihnen diese Gefühle bewusst sind, haben Sie Ihrer Angst schon eine gute Portion Wind aus den Segeln genommen.
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