Achtung Teufelskreis: Warum wir immer wieder dieselben Fehler machen

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Teufelskreis - Jan Göritz - Heilpraktiker für Psychotherapie, Psychologischer Berater, Psychotherapeut (HeilprG) in Hamburg

Warum tun wir uns das eigentlich an?

Mal ehrlich: Wir wissen, dass das Glas Wein nach einem harten Tag nicht die beste Lösung ist. Wir wissen auch, dass stundenlanges Scrollen durch Instagram uns nicht glücklicher macht. Und trotzdem tun wir es. Und wir tun es wieder und wieder. Manchmal blitzt vielleicht kurz die Frage „was mache ich hier eigentlich?“ auf, aber häufig verschwindet sie auch ebenso schnell wieder. „Ich habe jetzt nicht die Zeit, mich damit zu beschäftigen“, sagt unser Kopf und häufig hat er sogar recht. Die Kinder, die Tiere, der Partner, die Arbeit – alle stellen Ansprüche an Sie. Freunde treffen? „Das wäre auch mal wieder schön …“
Da kann man doch in den fünf Minuten zwischen zwei Aufgaben mal kurz …


Aber ist es mangelnde Disziplin? Haben wir einen schwachen Willen? Oder steckt da doch etwas Tieferes dahinter?

Carl Gustav Jung sagte mal:

„Sucht ist das ungeschickte Streben nach Erleuchtung.“



Der Teufelskreis – dieses ständige Wiederholen von destruktiven Mustern – ist kein Zufall. Er ist ein verdammt hartnäckiger Mechanismus, der tief in unserer Psyche verankert ist. Aber es gibt einen Weg heraus. Und genau darum geht’s in diesem Artikel.

Was ist ein Teufelskreis – und warum ist er so verdammt schwer zu durchbrechen?

Die Wirkweise eines Teufelskreises ist relativ einfach erklärt:

  • Es gibt einen Trigger oder Auslöser: Das ist ein Moment, in dem wir einen für uns unbestimmten, aber zutiefst unangenehmen Zustand in uns wahrnehmen, den wir – manchmal bewusst, häufiger unbewusst – schnell wieder loswerden wollen. Hätten wir in diesen Momenten einen klaren Blick auf uns selbst, dann würden wir vermutlich auf einen dieser Punkte stoßen: Stress, Einsamkeit, Überforderung, Schmerz oder Langeweile
  • Ungeduldig und impulsiv, wie wir manchmal sind, suchen wir häufig die schnelle Lösung: Jetzt muss schnell etwas her, das uns sofort Erleichterung verschafft. Das kann ein Drink sein, eine Zigarette, ein Joint, Süßigkeiten, die Currywurst, Sex oder wir stürzen uns in Arbeit. Die Hauptsache dabei ist, dass wir den unangenehmen Zustand nicht mehr spüren müssen.
  • Kurzfristig fühlen wir uns dann natürlich besser. Schließlich gibt der Dopamin-Kick uns das Gefühl, dass alles wieder okay ist.
  • Langfristig geht’s uns aber schlechter, denn unsere Probleme sind nicht nur nicht verschwunden, häufig sind sie jetzt sogar größer als vorher.
  • Also greifen wir wieder zur schnellen Lösung. Und schwups – der Kreislauf beginnt von vorn.

Es ist fast so, als würden wir Salzwasser trinken, um unseren Durst zu stillen. Je mehr wir trinken, desto durstiger werden wir.

Warum rutschen wir überhaupt in diese Spirale?

Der Grund ist selten „mangelnde Disziplin“. Vielmehr geht es um tief sitzende Muster. Hier sind drei der häufigsten Ursachen:

Kindheit & unbewusste Prägungen

Unsere frühesten Erfahrungen prägen unser Gehirn mehr, als uns bewusst ist. Wer als Kind schon gelernt hat, dass es Zuwendung, Liebe und Aufmerksamkeit nur dann gibt, wenn man entweder durch Leistung glänzt oder man zum angepassten Kind wird, wird als Erwachsener oft in Perfektionismus oder Arbeitssucht flüchten. Wer emotionale Vernachlässigung erfahren hat, sucht sich oft Partner, die genau das reproduzieren – einfach weil es sich „vertraut“ anfühlt.

Schmerzvermeidung statt Heilung

Und genau das ist der Kern des Problems: Wir greifen nicht zu ungesunden Verhaltensweisen, weil sie uns glücklich machen – sondern weil sie uns kurzzeitig von etwas ablenken, das wir nicht fühlen wollen.

Unser Gehirn spielt gegen uns

Das Belohnungssystem in unserem Gehirn ist darauf programmiert, uns für angenehme Dinge mit Dopamin zu belohnen. Früher war das hilfreich: Essen, soziale Bindungen, Überleben – all das war gut für uns.

Heute wird dieses System jedoch von Social Media, Alkohol, Essen oder Netflix gekapert. Und weil unser Gehirn auf „Mehr davon!“ programmiert ist, landen wir in einer Spirale beziehungsweise einem Teufelskreis, aus dem wir allein schwer herauskommen.

Beispiel aus der Praxis

Fall 1: Frau Schneider – Die Perfektionistin, die sich selbst ausbrennt

Frau Schneider, 38 Jahre alt, ist eine erfolgreiche Marketingmanagerin. Sie ist immer auf Zack, immer einen Schritt voraus, immer erreichbar. In ihrer Branche gilt sie als Maschine – jemand, der alles unter Kontrolle hat.

Doch hinter der Fassade sieht es anders aus.

Jedes Mal, wenn sie äußerlich zur Ruhe kommt, meldet sich die Unruhe von innen. Der Gedanke „Du bist nicht gut genug“ ist ein ständiger Begleiter, den sie aber nicht wahrnehmen muss und kann, solange es noch irgendetwas zu tun gibt. Also sorgt sie unbewusst dafür, dass es immer etwas zu tun gibt. Ihr Leben ist absolut durchgetaktet, auch die Freizeit.

Ihre Kollegen bewundern sie für ihre Disziplin. Aber niemand sieht, was es sie kostet.

Der Teufelskreis zeigt erste Anzeichen

Eines Tages sitzt Frau Schneider mir in der Praxis gegenüber, sie schwenkt ihr Wasserglas und beobachtet die entstehenden Wellen. Sie sieht müde aus, in ihren Augen erkenne ich Erschöpfung.

„Ich verstehe das nicht“, sagt sie schließlich. „Ich weiß, dass ich mir zu viel zumute. Aber sobald ich versuche, weniger zu machen, fühle ich mich schrecklich, als ob ich versagen würde.“

Ich nicke und frage: „Seit wann ist das so?“

Sie seufzt. „Schon immer, glaube ich. In der Schule gehörte ich zu den Besten. An der Uni genauso. Ich habe nie aufgehört, nach der nächsten Bestleistung zu streben. Und wissen Sie was? Es hat sich noch nie ansatzweise so angefühlt, als wäre es genug – … als wäre ich genug.“

Sie erzählt mir von schlaflosen Nächten mit Grübelattacken und von Wochenenden, die sie mit der Arbeit verbringt, während ihre Freunde draußen das Leben genießen. Sie sagt, sie sei einfach „nicht der Typ für Entspannung“. Aber ich sehe etwas anderes: Angst.

Die Wurzeln des Musters

„Wie war das denn früher bei Ihnen zu Hause?“, frage ich vorsichtig.

Frau Schneider runzelt die Stirn. „Meine Eltern waren … anspruchsvoll. Mein Vater war Ingenieur, meine Mutter Lehrerin. Gute Noten wurden einfach erwartet. Wenn ich eine Eins hatte, war das selbstverständlich. Wenn ich eine Zwei hatte, wurde nur gefragt, warum es keine Eins geworden ist.“

Sie lacht kurz, aber es klingt bitter.

„Und wie haben Ihre Eltern auf Ihre Erfolge reagiert?“

Sie zögert. „Mein Vater war stolz. Aber es war nicht … Wärme, kein liebevoller Stolz. Eher eine Art Selbstzufriedenheit. Als hätte er ein Projekt erfolgreich abgeschlossen. Mein Wert wurde daran gemessen, was ich leiste. Nicht daran, wer ich bin.“

„Und Ihre Mutter?“, möchte ich wissen.

„Ach, wissen Sie … meine Mutter war Lehrerin. Die hatte ja schon aufgrund ihres Berufs immer recht. Da brauchte ich gar nicht erst zu versuchen, gegenanzukommen. Ich habe mich halt irgendwann zurückgezogen und mir Bestätigung über meine guten Noten geholt.“

Hier hat der Teufelskreis vermutlich seinen Ursprung: Sie hat schon relativ früh begonnen, den Schmerz – in diesem Fall den Schmerz des Nichtgesehenwerdens – durch Leistung und das gute Gefühl, erfolgreich zu sein, zu kompensieren.

Weg aus dem Teufelskreis

„Frau Schneider“, frage ich mit sanftem Ernst, „was würde passieren, wenn Sie mal scheitern? Wenn Sie eine Aufgabe nicht perfekt erledigen?“

Sie erstarrt und wirkt irritiert: „Ich … ich weiß es nicht. Ich glaube, es würde sich anfühlen, als würde ich verschwinden.“

„Teufelskreis“, sage ich leise – sie nickt langsam.

Wir beginnen damit, ihr Muster aus der Unbewusstheit ins Licht zu holen. Sie probiert kleine Veränderungen aus: Sie setzt sich Grenzen bei der Arbeit, lernt, „Nein“ zu sagen. Am Anfang fühlt es sich für sie an, als würde sie versagen. Doch mit der Zeit merkt sie, dass ihre Angst vor dem inneren Zusammenbruch unberechtigt war. Sie ist noch da – und es scheint ihr gutzutun, der Angst nicht mehr nachzugeben.

Nach ein paar Monaten erzählt sie mir mit einem Lächeln:

„Letztes Wochenende habe ich einfach nichts gemacht. Ich habe gelesen, bin spazieren gegangen, habe einen Film geschaut – und wissen Sie was? Ich habe mich nicht schuldig gefühlt. Zum ersten Mal.“

Das ist der Moment, in dem sie beginnt, ihren Teufelskreis nachhaltig zu durchbrechen.

Fall 2: Herr Berger – Der Mann, der immer an die falschen Frauen geriet

Herr Berger ist 42 Jahre alt. Er ist ein charismatischer, humorvoller Mann mit einem Hang zur Selbstironie. Er sitzt mir gegenüber, die Arme verschränkt, und sagt mit einem schiefen Lächeln:

„Ich scheine ein Talent dafür zu haben, mir genau die falschen Frauen auszusuchen.“

Ich hebe eine Augenbraue und frage: „Was genau meinen Sie damit?“

Er zuckt die Schultern. „Es ist immer das Gleiche: Ich lerne eine Frau kennen, sie ist aufregend, aber ein bisschen distanziert. Das finde ich total anziehend und bin sofort Feuer und Flamme. Aber nach ein paar Monaten merke ich, dass sie mir nicht das geben kann, was ich brauche. Soweit bin ich immerhin schon gekommen. Früher habe ich das direkt persönlich genommen.“

„Was genau meinen Sie damit?“, möchte ich wissen.

„Naja, ich habe gedacht, dass sie es mir nicht geben will. Da habe ich richtig drauf reagiert, habe immer gedacht, ich muss mich mehr anstrengen. Was dann in der Regel zu einer noch größeren Distanz geführt hat. Ein richtiger Teufelskreis war das …“

Ich nicke. „Teufelskreis ist ein gutes Stichwort. Was tun Sie denn heute? Wo sie ja wissen, dass es eher am Unvermögen als am Wollen liegt.“

„Ich klammere trotzdem, versuche, die Beziehung zu retten. Und wenn es dann nach 1,5, 2 Jahren vorbei ist, fühle ich mich furchtbar. Aber anstatt eine andere Art Frau kennenzulernen, lande ich beim nächsten Mal genau wieder bei derselben Sorte.“

Die Wurzeln seines Musters

„Erzählen Sie mir von Ihren Eltern“, bitte ich ihn.

Herr Berger lacht. „Klassische Therapeuten-Frage, oder?“ Dann wird er ernst. „Meine Mutter war … schwierig. Sie war oft emotional distanziert, manchmal auch abweisend. Ich musste mir ihre Aufmerksamkeit verdienen. Ich habe mich als Kind immer gefragt, warum sie mal liebevoll und mal eiskalt war.“

Das Puzzle beginnt sich zu fügen und ich frage: „Klingt das vertraut?“

Er runzelt die Stirn. „Wie meinen Sie das?“

„Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten Ihrer Mutter als Kind und der Wahl Ihrer Partnerinnen als Erwachsener?“

Es dauert ein paar Sekunden, bis es bei ihm klickt. „Verdammt. Das hätte ich wirklich nicht gedacht.“

Der Teufelskreis in Aktion

Herr Berger hat unbewusst gelernt, dass Liebe etwas ist, das man sich verdienen muss. Wenn eine Frau sich ihm voll und ganz zuwendet, fühlt es sich „falsch“ an – weil es nicht dem entspricht, was er als Kind erlebt hat. Stattdessen sucht er sich Partnerinnen, bei denen er um Zuneigung kämpfen muss.

„Ich dachte immer, ich habe einfach Pech in der Liebe“, murmelt er. „Aber Glück im Spiel hatte ich nun auch nicht wirklich.“

Wir müssen beide kurz lachen, und es ist gut, die drohende Schwere zu durchbrechen.

„Es ist kein Pech, Herr Berger. Es ist ein Muster, ein Teufelskreis.“

Der Weg aus dem Teufelskreis

Wir beginnen, über bewusste Reflexion Wege aus dem Teufelskreis zu finden. Beim nächsten Date fragt er sich unter anderem: Fühle ich mich wirklich wohl mit dieser Person? Oder bin ich nur fasziniert, weil sie schwer zu greifen ist?

Er beschreibt, dass es ihn große Überwindung kostet, sich auf Frauen einzulassen, die wirklich an ihm interessiert sind – und nicht am Drama.

„Es fühlt sich fast langweilig an“, gibt er zu.

„Es ist nicht langweilig, Herr Berger. Es ist einfach nur ungewohnt. Geben Sie sich etwas Zeit zum Wachsen, lassen Sie den Teufelskreis ganz bewusst hinter sich.“

Einige Monate später berichtet er mir von einer neuen Frau, die er kennengelernt hat. Sie ist nett, zuverlässig und wirklich interessiert an ihm – keine Spielchen, keine Unsicherheiten.

„Und?“, frage ich.

Er grinst zufrieden: „Es fühlt sich komisch an. Aber ich glaube, ich mag sie.“

Hier beginnt die Befreiung aus seinem Teufelskreis.

Hier geht es zu Teil 2

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FAQ

Warum lande ich immer wieder in den gleichen destruktiven Mustern?

Teufelskreise entstehen oft aus unbewussten Prägungen. Viele unserer Verhaltensweisen beruhen auf Mechanismen, die wir in der Kindheit gelernt haben. Wenn Sie zum Beispiel nur dann Anerkennung bekommen haben, wenn Sie sich besonders angestrengt haben, könnte sich das in zwanghaftem Perfektionismus äußern. Oder wenn emotionale Nähe in Ihrer Familie selten war, könnten Sie sich unbewusst Partner suchen, die Ihnen genau das verweigern. Unser Gehirn strebt nach Vertrautem – selbst wenn es uns schadet.

Ist ein Teufelskreis dasselbe wie eine Sucht?

Nicht unbedingt, aber sie haben Gemeinsamkeiten. Beide beruhen auf wiederholtem Verhalten, das kurzfristige Erleichterung bringt, aber langfristig Schaden verursacht. Gabor Maté definiert Sucht als „jedes Verhalten, das kurzfristig Erleichterung oder Belohnung bringt, aber langfristig negative Folgen hat und trotzdem schwer zu stoppen ist“. Teufelskreise funktionieren genauso – ob es um Alkohol, ungesunde Beziehungen, übermäßige Arbeit oder ständiges Aufschieben geht.

Warum merkt man oft erst zu spät, dass man in einem Teufelskreis steckt?

Weil viele unserer Reaktionen automatisch ablaufen. Unser Gehirn liebt Gewohnheiten – sie sparen Energie. Das bedeutet, dass sich viele Verhaltensweisen „normal“ anfühlen, selbst wenn sie uns langfristig schaden. Außerdem sorgen kurzfristige Belohnungen (wie Erleichterung durch Ablenkung oder kurzfristiges Glück durch Bestätigung) dafür, dass wir den langfristigen Schaden zunächst nicht sehen oder verdrängen. Erst wenn der Schmerz größer wird als der kurzfristige Gewinn, beginnen viele, das Muster zu hinterfragen.

Gibt es Menschen, die anfälliger für Teufelskreise sind?

Ja. Besonders Menschen, die in ihrer Kindheit wenig emotionale Sicherheit erfahren oder traumatische Erfahrungen gemacht haben, neigen dazu, Teufelskreise als unbewusste Bewältigungsstrategie zu entwickeln. Auch Personen mit hoher Sensibilität oder starker Selbstkritik sind gefährdeter, weil sie unangenehme Emotionen schwerer aushalten und eher nach schnellen Lösungen suchen. Und natürlich spielt auch unsere Umgebung eine Rolle: Eine Gesellschaft, die Stress, Perfektionismus und Konsum fördert, erleichtert den Einstieg in destruktive Muster erheblich.


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