Falsche Stärke kann zu ewigem Kampf führen
Vor kurzem wurde ich in einer Sitzung an eine Geschichte erinnert, die eine ehemalige Klientin mir vor ein paar Jahren erzählte:
Bei ihr in der Nachbarschaft lebte ein Mann, den sie zwar selten sah, dessen Begegnungen aber immer einen schlechten Nachgeschmack hinterließen.
Mal fuhr er mit dem Fahrrad so auf der Straße, dass sie mit dem Auto nicht an ihm vorbei kam. Auch, wenn zwischen den parkenden Autos eine Lücke war, fuhr er keinen Schlenker, sondern stur geradeaus.
Ein anderes Mal begegnet sie ihm im Auto. Die gleiche kleine Straße, auf ihrer Seite, parkende Autos, hin und wieder unterbrochen von Lücken.
Sie schilderte, dass die Autofahrer in dieser Straße normalerweise sehr rücksichtsvoll wären und so mitdachten, dass es immer möglich war, eine Lücke zu erreichen, weil der entgegenkommende Fahrer rechtzeitig stehen geblieben ist.
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Der besagte Nachbar jedoch blieb nicht stehen, um die Lücke frei zu halten, sondern sorgte dafür, dass die Klientin die nächste Möglichkeit, auszuweichen, nicht erreichen konnte und beide Autos sich Schnauze an Schnauze gegenüberstanden.
Der Nachbar hätte nicht einmal zwei Meter zurücksetzen müssen. damit die Klientin rechts in die Lücke hätte fahren können.
Als sie ausstieg, um ihn zu bitten, ein kleines Stück zurück zu setzen, wurde sie von ihm nur angefahren, dass sie die Situation doch provoziert hätte und er es überhaupt nicht einsehe, zu weichen.
Am Beispiel dieses Mannes wird gut dargestellt, was passieren kann, wenn sich jemand permanent benachteiligt fühlt oder gefühlt hat:
Man läuft Gefahr, sich eine Härte anzueignen, die sich für einen selbst möglicherweise als Stärke anfühlt, nach außen hin aber eher als Angriff und Provokation wahrgenommen wird.
Das begegnet mir in meiner Arbeit immer wieder:
Wie geht man mit solchen Menschen um?
Häufig haben sich die Menschen so an diesen Zustand gewöhnt, dass er ihnen gar nicht mehr bewusst ist. „Ich lasse mir nicht mehr die Butter vom Brot nehmen“ und „das ist mein gutes Recht“ sind zwei Beispiele für „Kampfparolen“ solcher Menschen, die häufig irgendwann in ihrem Leben ihren Kampfmodus automatisiert haben und gar nicht mehr darauf schauen, ob sie überhaupt kämpfen müssen oder nicht – sie kämpfen einfach.
Begegnen sie einem Menschen, der in diesem Modus gefangen ist, dann können Sie davon ausgehen, dass jeder Kontakt mit ihm zwangsläufig zu einem Kampf führen wird. Dabei ist es egal, nach welchen Ideen und Glaubenssätzen Sie Ihr eigenes Leben gestalten.
Wer innerlich auf Kampf getrimmt ist, benötigt zum Kämpfen irgendwann keinen Grund mehr.
Wenn Sie sich gegen den Kampf entscheiden, dann gehen Sie diesen Menschen am besten aus dem Weg.
Selbsterhaltendes Weltbild
Menschen mit einem solchen Weltbild suchen unbewusst nach einer Bestätigung für dessen Richtigkeit:
- ich werde immer benachteiligt
- Die Menschen sind alle dumm und rücksichtslos
- Keiner mag mich
- Wer freundlich ist, wird ausgenutzt
- Der Ehrliche ist der Dumme
- Die Welt ist ein gefährlicher Ort
Vielfach sehen andere Menschen das Leid der betroffenen Personen und haben den Wunsch, Ihnen zu helfen.
Gedanken wie „es muss doch möglich sein, ihn (sie) davon zu überzeugen, dass das Leben auch schön sein kann“ oder „ich muss mich nur genügend anstrengen, dann wird er (sie) schon merken, dass ich es nur gut meine“ sind in solchen Momenten präsent.
Natürlich gibt es hinter diesem Verhalten auch immer eine Geschichte und vermutlich sucht kein Mensch eine solche Haltung zum Leben freiwillig aus.
Die wächst im Ursprung meistens aus immer wiederkehrenden Erfahrungen im Kindesalter.
Später ist es ein Kreislauf aus festen Glaubenssätzen und daraus resultierenden selbst erfüllenden Prophezeiungen.
Es handelt sich also in den allermeisten Fällen nicht um Boshaftigkeit oder ein absichtsvolles Verhalten.
Den ersten Schritt kann niemand anders gehen
Doch es ist leider so, dass Menschen, die mit solch einem inneren Zustand leben, selbst in liebevollen Gesten oder dem Versuch, ihnen zu zeigen, dass es noch andere Blickwinkel gibt, einen Angriff sehen können und mit Verteidigung oder Rückzug reagieren.
Sie müssen zumindest die ersten Risse in ihrem fest zementierten Weltbild selbst verursachen, bevor eine Änderung ihres Denkens und Verhaltens überhaupt möglich ist.
Aber solange sie ihre Kraft aus dem Gefühl heraus beziehen, stark zu sein und sich zu behaupten, gibt es häufig nur eine Möglichkeit des Umgangs: bleiben Sie bei sich und lassen Sie sich nicht in das Drama des anderen hineinziehen.
Alles andere kostet Sie nur unnütz Kraft.
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