Ein Leuchtturm bleibt bei sich

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Der Leuchtturm

Es war einmal ein schöner alter Leuchtturm. Der stand seit vielen, vielen Jahren an einer sehr schönen und felsigen Küste. Es war ein Leuchtturm wie aus dem Bilderbuch:  rote und weiße Ringe, schön hoch und oben unter dem Dach: das Leuchtfeuer.
Natürlich sah man ihm an, dass er seit vielen Jahren Wind und Salzwasser ausgesetzt war, aber „das Leben hinterlässt eben Spuren“. So sprach er stets mit einem Lächeln.
Er tat das, was ein Leuchtturm eben tut: tagsüber stand er auf seinem Felsen und genoss die Aussicht über die Weite des Meeres. Nur manchmal, wenn Sturm war, wurde es für ihn ein wenig ungemütlich. Da musste er sich ganz schön gegen den Wind stemmen und bekam das ein oder andere Mal auch nasse Füße. Wenn abends die Dämmerung einsetzte, zündete er sein Feuer an und wies den Schiffen den Weg.
So ging es jahrein jahraus, ohne , dass sein gemütlicher Trott unterbrochen wurde,- bis eines Tages an einem schönen Abend im September etwas Dramatisches geschah:
Den ganzen Tag blickte der Leuchtturm auf eine See, so glatt, dass er sich darin spiegeln konnte. Kleinere Boote und große Schiffe zogen gemächlich ihre Bahnen. Als die Dämmerung einsetzte, entzündeten die Schiffe ihre Positionslichter und ein paar gingen vor Anker.
Von einigen Booten und Schiffen kam Gelächter herüber, hier und da wurde auch ein Shanty angestimmt.
Doch ein kleines Boot war nicht richtig verankert, so dass es langsam Richtung Felsen abdriftete.
Der Leuchtturm hatte schon  bemerkt, dass sich an Bord ein frisch verliebtes Pärchen befand. Ein bißchen neidisch hatte er immer hinüber geschaut und sich gefragt, ob Leuchttürme sich auch verlieben können.
Er hatte beobachtet, wie die beiden sich angeregt unterhalten hatten, sich sonnten, im Wasser herumtollten und schließlich ein romantisches Essen an Bord genossen.
Und weil sie nur Augen füreinander hatten, bemerkten sie nicht, auf welche Katastrophe sie zusteuerten.


Der Leuchtturm wurde immer aufgeregter. Was sollte er nur tun? Außer stehen und blinken hatte er nichts gelernt. Aber das reichte nun wirklich nicht, um die beiden vor einer Kollision zu retten. Also riss er sich unter großer Anstrengung und ebenso großem Getöse von seinem Fundament los und lief los in Richtung des kleinen Bootes. Er musste gar nicht weit durchs Meer stapfen, bis die beiden Verliebten auf ihn aufmerksam wurden. Der Lärm, den er veranstaltete war einfach zu laut, als dass die beiden ihn ignorieren konnten.
„Leuchtturm, was ist denn los?“ rief die junge Frau. „Die Klippen…“ schrie er und er hatte noch nicht geendet, da hatte die Frau schon das Steuer in der Hand und den Motor gestartet, so dass sie gerade noch beidrehen und die Kollision verhindern konnte.
Der Leuchtturm atmete erleichtert auf, und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Als er sich voller Zufriedenheit umdrehte, erkannte er, was er für ein Chaos hinterlassen hatte: alle Schiffe sind von ihrer Route abgekommen, weil er nicht mehr an seinem Platz stand. Aufgrund der Nähe zu den Klippen bestand auch hier in vielen Fällen die Gefahr eines Unglücks.
Also machte sich der Leuchtturm an die Arbeit. Er lief von Schiff zu Schiff und brachte sie alle einzeln wieder auf Kurs. Doch es wurden immer mehr Schiffe und Boote, die vom Kurs abkamen und schon bald war der Leuchtturm erschöpft und frustriert und ging an seinen gewohnten Platz zurück, um sich ein wenig auszuruhen. Da stand er nun mit hängendem Kopf und fühlte sich wie ein Versager. Es war schon wieder hell, da merkte er, wie er angestupst wurde. Er schaute hin und erkannte das Pärchen vom Boot. „Wir wollten uns bei dir bedanken“, sprach der Mann. „Du hast viel auf Dich genommen, um uns zu retten. Das wissen wir sehr zu schätzen.“ „Ach“, seufzte der Leuchtturm, „das ist sehr nett von Euch. Aber ich habe als Leuchtturm versagt und nur Chaos gestiftet.“
„Überhaupt nicht!“ erwiderten die beiden. „In dem Moment, wo du als Leuchtturm wieder bei dir und an deinem Platz warst, hat sich das Chaos ganz schnell wieder aufgelöst.“
Da erkannte der Leuchtturm, wie wichtig es für ihn und alle Schiffe und Boote um ihn herum ist, dass er bei sich bleibt. Er begriff, dass es im Leben unabdingbar ist, seinen Platz einzunehmen und zu behalten. „Das ist das beste was jeder Leuchtturm tun kann“ dachte er bei sich.
Jan Göritz, 2020)

Leuchtturm - Jan Göritz - Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater in Hamburg
Bild von Romolo Tavani / Shutterstock

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