Umwege oder der richtige Weg?
Ein Thema, das viele meiner Klienten betrifft, ist das des richtigen Weges. Was bedeutet das?
Viele Menschen haben das Gefühl, dass trotz eines guten und auskömmlichen Jobs und einer Beziehung oder Familie in ihrem Leben etwas Wesentliches fehlen würde. Etwas, das häufig nicht klar benannt werden kann: „Ich habe das Gefühl, ich habe meinen Platz noch nicht gefunden.“ oder „Ich glaube, ich bin irgendwie nicht auf dem richtigen Weg.“ sind zwei häufig benutzte Formulierungen für diesen Zustand.
Zielstrebigkeit
Schnell wird im Gespräch mit den entsprechenden Klienten deutlich, dass sie häufig schon in der Jugend eine Vorstellung davon entwickelt haben, wie sie glücklich werden könnten: Ein gut dotierter Job im Management-Bereich, ein schönes Haus, Frau und Kinder. In diesem Beispiel ist scheinbar alles abgedeckt, was ein glückliches Leben garantiert:
- finanzielle Sorglosigkeit
- berufliche Gestaltungsfreiheit
- ein eigenes Heim
- emotionale Sicherheit
Mit diesem Ziel vom persönlichen Glück vor Augen geht man zielstrebig los und stoppt nicht eher, bevor man angekommen ist. Das ist manchmal ein Moment großer Ernüchterung, denn statt des großen Glücks erwartet einen die große Leere.
Wie kann das sein, wenn man doch alles erreicht hat, was man sich einst erträumte?
Ich denke, es hat damit zu tun, dass die betreffenden Menschen auf ihrem Weg kein wirklichen Ruhepausen eingelegt haben, in denen sie ihren Kurs an veränderte Umwelt- oder Innenweltbedingungen hätten anpassen, beziehungsweise diese veränderten Bedingungen überhaupt wahrnehmen können. Das höchst attraktive Ziel „Glück“ ist sowohl in der Lage, einen immensen Antrieb zu generieren, als auch die Aufmerksamkeit so in seinen Bann zu ziehen, dass man einen Tunnelblick entwickelt.
Zielstrebigkeit allein ist demnach keine Garantie für Zufriedenheit oder gar Glück.
Ziellosigkeit
Wie ist es denn mit dem Gegenteil? Sind Menschen, die noch nicht so viel erreicht und kein klares Ziel vor Augen haben, wie viele Zielstrebige, glücklicher?
Nein, natürlich nicht. Auch die leiden darunter, ihren Weg nicht zu finden. Im Gegensatz zu vielen Zielstrebigen setzen sie sich schon früh mit der Frage auseinander, was sie wirklich möchten. Die Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen oder einen falschen Weg zu gehen, hindert sie manchmal daran, überhaupt Entscheidungen zu treffen. So fühlen sie sich häufig als Opfer der Umstände und nicht selten leben sie in einem Zustand, der mit „zu wenig zum Leben – zu viel zum Sterben“ gut beschrieben ist.
Umwege
Umwege vereinen die positiven Aspekte von Zielstrebigkeit und Ziellosigkeit: es gibt sehr wohl ein Ziel und einen Weg, man muss diesem aber nicht auf biegen und brechen folgen. Wenn es sich ergibt und passend ist, darf man auch abbiegen und einen Schlenker machen
„Umwege sind gut, da lernt man viel dazu“ singt Jan Delay in Halt es fest. Durch Umwege gibt man sich selbst die Möglichkeit und die Erlaubnis, aus bestehenden Routinen für einen Moment auszubrechen, neue Erfahrungen zu machen und den Blick einfach mal entspannt schweifen zu lassen – ohne, dass man sein Ziel aus den Augen verliert. Man kann es in solchen Momenten gut hinterfragen und entsprechend modifizieren oder neu setzen. Es wird aber immer ein Ziel geben.
Ein Klient von mir, der eher den Zielstrebigen zugerechnet werden kann, sagte neulich, dass er sich überlegt hätte, eine Zeit lang jeden Tag etwas anders zu machen, als er es normalerweise tut, zum Beispiel mal andere Wege zur Arbeit nehmen.
Praktische Umsetzung
Wenn Sie sich eher den Zielstrebigen zuordnen, nehmen Sie sich gerne ein Beispiel an meinem Klienten und machen Sie über einen Zeitraum von vier Wochen jeden Tag etwas anders:
- nehmen Sie einen anderen Weg zur Arbeit
- putzen Sie die Zähne mit der anderen Hand
- trinken Sie erst Kaffee und duschen Sie dann (oder umgekehrt)
um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Wenn Sie sich eher zu den Ziellosen rechnen, dann gibt es in erster Linie einen Tipp:
- Treffen Sie Entscheidungen! Es gibt keine falschen Entscheidungen und nur wenig Entscheidungen sind unumkehrbar. Sie werden sich über Versuch und Irrtum an Ihren Weg ran arbeiten.
Und wo ich Jan Delay zitiert habe, möchte ich Ihnen das Video dazu nicht vorenthalten:
Viel Spaß auf Ihren Umwegen!
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