Lesen Sie hier Teil 1 (Toxische Scham – der unsichtbare Feind
Inhaltsverzeichnis
Wege aus der toxischen Scham
Die Überwindung toxischer Scham kann ein langer und zum Teil herausfordernder Prozess sein. Es erfordert Mut, Selbstreflexion und möglicherweise professionelle Hilfe, um die tief verankerten Muster zu durchbrechen. Doch es gibt konkrete Schritte, die Sie unternehmen können, um sich von den Fesseln der Scham zu befreien und ein Leben in Selbstakzeptanz zu führen.
1. Selbstreflexion und Achtsamkeit üben
Um toxische Scham zu überwinden, ist es wichtig, ein Bewusstsein für die eigenen Gedanken und Gefühle zu entwickeln. Nehmen Sie sich täglich Zeit für Selbstreflexion, indem Sie ein Tagebuch führen oder Meditation praktizieren. Achtsamkeit hilft Ihnen, negative Gedankenspiralen zu erkennen und zu unterbrechen, bevor sie Sie überwältigen. Fragen Sie sich: Woher kommt dieses Schamgefühl? Welche Erfahrungen haben es ausgelöst?
Handlungsmöglichkeit: Führen Sie täglich ein Tagebuch, in dem Sie Ihre Gefühle, Gedanken und deren Auslöser reflektieren. Überlegen Sie am Ende der Woche, welche Muster sich abzeichnen, und arbeiten Sie gezielt an diesen Bereichen.
2. Negative Glaubenssätze identifizieren und hinterfragen
Toxische Scham entsteht oft aus tief verwurzelten negativen Glaubenssätzen wie „Ich bin nicht gut genug“ oder „Ich verdiene kein Glück“. Diese Überzeugungen zu erkennen und zu hinterfragen, ist ein wichtiger Schritt zur Selbstheilung. Ersetzen Sie negative Glaubenssätze durch positive und realistischere Selbst-Affirmationen.
Handlungsmöglichkeit: Erstellen Sie eine Liste Ihrer negativen Glaubenssätze und arbeiten Sie daran, sie durch positive Affirmationen zu ersetzen. Zum Beispiel: Ersetzen Sie „Ich bin wertlos“ durch „Ich habe wertvolle Fähigkeiten und Talente, die ich mit der Welt teilen kann.“
3. Professionelle Unterstützung suchen
Psychotherapie oder Psychologische Beratung kann entscheidend sein, um toxische Scham zu überwinden. Ein Therapeut kann Ihnen helfen, tieferliegende emotionale Wunden zu erkennen und aufzuarbeiten. Therapie bietet einen sicheren Raum, in dem Sie Ihre Gefühle erforschen und neue Perspektiven entwickeln können.
Handlungsmöglichkeit: Suchen Sie sich einen Therapeuten oder Heilpraktiker für Psychotherapie, der Erfahrung im Umgang mit Scham und Selbstwertthemen hat. Vereinbaren Sie regelmäßige Sitzungen, um kontinuierlich an Ihren Themen zu arbeiten.
4. Gesunde Beziehungen aufbauen
Oftmals verstärken toxische Beziehungen das Gefühl der Scham. Lernen Sie, gesunde Grenzen zu setzen und sich von Menschen zu distanzieren, die Ihre negativen Gefühle verstärken. Stattdessen sollten Sie Beziehungen pflegen, die auf Respekt, Unterstützung und gegenseitigem Verständnis basieren.
Handlungsmöglichkeit: Reflektieren Sie Ihre bestehenden Beziehungen und identifizieren Sie diejenigen, die Ihr Wohlbefinden negativ beeinträchtigen. Setzen Sie Grenzen oder lösen Sie sich aus toxischen Verbindungen.
5. Selbstmitgefühl entwickeln
Viele Menschen, die unter toxischer Scham leiden, sind sehr hart zu sich selbst. Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst mit derselben Freundlichkeit und Geduld zu behandeln, die Sie auch einem Freund entgegenbringen würden. Es ist wichtig, sich Fehler zu verzeihen und sich selbst zu erlauben, unvollkommen zu sein.
Handlungsmöglichkeit: Üben Sie täglich Selbstmitgefühl, indem Sie sich in schwierigen Momenten beruhigende Worte zusprechen. Zum Beispiel: „Es ist in Ordnung, Fehler zu machen. Ich lerne und wachse jeden Tag.“ Entwickeln Sie ein Ritual der Selbstfürsorge, wie z.B. ein entspannendes Bad, ein Buch lesen oder einen Spaziergang in der Natur machen.
Und Herr Müller?
Einige Wochen später…
Herr Müller betritt den Raum und setzt sich auf den Stuhl. Ich sehe, dass er weniger angespannt wirkt, auch wenn seine Augen immer noch eine gewisse Müdigkeit ausstrahlen. Seine Schultern hängen nicht mehr so schwer wie beim letzten Mal, und er wirkt insgesamt etwas gefasster.
„Guten Morgen, Herr Müller. Wie geht es Ihnen heute?“ frage ich und lächele ihn an.
Er zögert kurz, bevor er antwortet: „Besser. Ein bisschen besser, glaube ich.“
„Das freut mich zu hören. Woran merken Sie, dass es besser ist?“
Herr Müller atmet tief ein und legt die Hände auf seine Knie, als ob er sich selbst erden wollte. „Nun, ich habe angefangen, Ihre Vorschläge umzusetzen. Das Tagebuchschreiben… es hat mich am Anfang Überwindung gekostet, aber ich habe es getan. Es war seltsam, meine Gedanken so offen vor mir zu sehen. Aber es hat mir geholfen, zu erkennen, dass ich mich selbst viel zu hart beurteile. Ich habe gemerkt, wie oft ich mich selbst abwerte, ohne es wirklich zu merken.“
„Das glaube ich Ihnen unbesehen, dass das anfangs schwierig war. Wer sieht schon gerne schwarz auf weiß, was er über sich denkt.“ antworte ich und ziehe die Augenbrauen nach oben. „Aber sich seiner Glaubenssätze bewusst zu werden ist ein ganz wichtiger erster Schritt, um die Verantwortung zu ergreifen und diese zu ändern.“
„Ja, das stimmt. Und auch damit habe ich bereits begonnen“, sagt er, wobei ein Hauch von Stolz in seiner Stimme mitschwingt. „Ich habe versucht, die negativen Gedanken in positive umzuformulieren, so wie wir es hier besprochen haben. Wenn ich zum Beispiel denke, dass ich nicht gut genug bin, sage ich mir jetzt: ‚Ich tue mein Bestes, und das ist genug.‘ Es fühlt sich ungewohnt an. Aber auch sehr gut. Ich denke wirklich, dass es traurig ist, dass positive Gedanken über mich selbst mir immer noch so fremd sind. Aber jetzt arbeite ich ja daran!“
„Diese kleinen Veränderungen können ja einen megagroßen Unterschied machen“ sage ich. „Haben Sie hier oder dort schon bemerkt, wie sich Ihr Alltag dadurch verändert hat?“ möchte ich wissen.
Herr Müller denkt kurz nach, bevor er antwortet. „Ja, ein wenig. Ich merke, dass ich abends nicht mehr ganz so lange grüble. Es ist bei weitem noch nicht perfekt, aber ich schaffe es manchmal, die Gedanken abzuschalten und mich mehr auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Und meine Frau hat bemerkt, dass ich etwas offener mit ihr spreche.“
„Prima. Herr Müller! Es sieht ganz so aus, als ob Sie auf dem richtigen Weg sind“, sage ich. Und nach einem Moment der Stille: „Da war ja noch was mit ‘Grenzen’. Wie ist es denn damit?“
Herr Müller runzelt die Stirn, als er darüber nachdenkt. „Das ist noch schwierig.“ sagt er vorsichtig. “Aber ich habe es immerhin geschafft, in einer Besprechung zu sagen, dass ich eine Pause brauche, um meine Gedanken zu sammeln.” Er grinst mich freudig an: „Das, Herr Göritz, das war wirklich das allerallererste Mal, dass ich mich getraut habe, so etwas zu sagen, ohne mich gleich dafür zu schämen.“
„Wow!“ sage ich beeindruckt. „Herr Müller, Sie sind ja wirklich megaschnell!“ sage ich und klatsche Beifall.
Herr Müller atmet tief durch, als ob eine Last von seinen Schultern genommen wurde. „Naja, Ich fange gerade erst an, das alles zu verstehen und umzusetzen. Es ist immer noch ein langer Weg, aber ich sehe immerhin, dass es möglich ist, ihn zu gehen.“
„Das ist es, Herr Müller“, sage ich ermutigend. „Und vergessen Sie nicht, dass es völlig in Ordnung ist, Rückschläge zu haben. Der Weg aus der toxischen Scham ist kein gerader, aber jeder Schritt, den Sie machen, bringt Sie näher zu mehr Selbstakzeptanz und Freiheit.“
Herr Müller nickt nachdenklich. „Ich werde weiter daran arbeiten. Es fühlt sich an, als ob ich nach langer Zeit endlich einen Weg finde, mich selbst nicht ständig zu verurteilen.“
„Und das ist der Beginn eines neuen Kapitels in Ihrem Leben“, sage ich abschließend. „Sie haben die Kraft, Ihre Geschichte umzuschreiben, Herr Müller. Schritt für Schritt.“
Er lächelt leicht und sagt: „Danke. Ich glaube, das werde ich tun.“
Fazit
In der Auseinandersetzung mit toxischer Scham wird deutlich, wie tiefgreifend ihre Auswirkungen auf das persönliche Wohlbefinden sein können. Die Selbstzweifel und das Gefühl der Unzulänglichkeit, die sie hervorrufen, können das Leben stark beeinflussen und sogar zu psychischen Problemen führen. Es ist wichtig, sich der eigenen Grenzen bewusst zu werden und aktiv daran zu arbeiten, diese zu akzeptieren und zu respektieren.
Durch den Prozess der Selbstreflexion und möglicherweise auch professionelle Hilfe in Form von Therapie oder Beratung, können Wege aus der toxischen Scham gefunden werden. Es ist entscheidend, sich selbst Wert und Anerkennung zuzugestehen, unabhängig von vergangenen Erfahrungen oder dem Urteil anderer Menschen. Die Auseinandersetzung mit toxischer Scham erfordert Mut und Selbstmitgefühl, aber sie kann auch zu einem tieferen Verständnis des eigenen Selbst und einem gesteigerten Selbstwertgefühl führen.
Weitere Informationen
- https://de.wikipedia.org/wiki/Schamgef%C3%BChl
- https://hellobetter.de/blog/scham/
- https://solution-worker.de/scham/
FAQ
Was ist Scham in der Psychologie?
Scham ist ein komplexes Gefühl, das oft mit dem Bewusstsein über soziale Normen und den eigenen Handlungen verbunden ist. In der Psychologie wird Scham als eine emotionale Reaktion beschrieben, die auftritt, wenn eine Person das Gefühl hat, nicht den Erwartungen anderer zu entsprechen oder inakzeptabel zu sein. Dieses Gefühl kann tiefgreifende Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl und das Verhalten haben. Scham unterscheidet sich von Schuld, da sie sich eher auf das Selbst als Ganzes bezieht, während Schuld spezifische Handlungen betrifft. Menschen, die Scham empfinden, neigen dazu, sich zurückzuziehen oder zu verstecken, was zu einer Isolation führen kann. Diese Emotion kann auch als Schutzmechanismus fungieren, um zu verhindern, dass wir uns in soziale Situationen begeben, in denen wir uns verletzlich fühlen. In therapeutischen Kontexten ist es wichtig, Scham zu erkennen und zu bearbeiten, da sie oft mit anderen psychischen Problemen wie Depression oder Angststörungen verknüpft ist. Ein offener Umgang mit Scham kann helfen, die Selbstakzeptanz zu fördern und den Weg zu einem gesünderen Selbstbild zu ebnen.
Welches Bedürfnis steht hinter Scham?
Scham ist ein komplexes Gefühl, das oft aus dem Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit und Anerkennung resultiert. Menschen haben ein tief verwurzeltes Verlangen danach, von anderen akzeptiert und respektiert zu werden. Wenn wir uns in einer Situation unzulänglich oder unzulässig fühlen, entsteht Scham als eine Art inneres Signal. Dieses Signal weist uns darauf hin, dass wir von den sozialen Normen oder Erwartungen abweichen. Darüber hinaus kann Scham auch mit einem starken Bedürfnis nach Selbstwertgefühl und Identität verbunden sein. Wenn wir uns schämen, stellen wir oft unseren eigenen Wert in Frage und fühlen uns minderwertig. Diese Emotion kann uns dazu anregen, unser Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls zu ändern, um zukünftige negative Bewertungen zu vermeiden. Das Bedürfnis hinter Scham ist somit vielschichtig: Es geht nicht nur um die Angst vor Ablehnung, sondern auch um den Wunsch, authentisch zu sein und in Harmonie mit den eigenen Werten und dem sozialen Umfeld zu leben. Indem wir diese Bedürfnisse erkennen und verstehen, können wir lernen, besser mit Scham umzugehen und sie als Teil unseres menschlichen Erlebens anzunehmen.
Was ist Beispiel für Scham?
Scham ist ein tiefes Gefühl der Unzulänglichkeit, das oft entsteht, wenn wir glauben, nicht den Erwartungen anderer oder unseren eigenen Standards zu entsprechen. Ein Beispiel für Scham könnte eine Situation im Schulkontext sein. Stellen Sie sich vor, Sie haben bei einer wichtigen Prüfung nicht gut abgeschnitten. Während Ihre Mitschüler von ihren guten Noten erzählen, fühlen Sie sich unwohl und glauben, dass alle über Sie urteilen. Diese Gedanken können Sie in eine emotionale Abwärtsspirale führen, in der Sie sich zurückziehen und das Gefühl haben, weniger wert zu sein als Ihre Klassenkameraden. Ein weiteres Beispiel könnte in sozialen Situationen auftreten. Nehmen wir an, Sie sind auf einer Feier und erzählen einen Witz, der nicht gut ankommt. Anstatt zu lachen, schauen die anderen nur verwirrt oder unwohl. In diesem Moment könnte Scham aufsteigen, da Sie das Gefühl haben, die Stimmung ruiniert zu haben. Sie könnten denken, dass andere über Sie lachen oder Sie als unangenehm empfinden. Diese Empfindungen der Scham können dazu führen, dass Sie sich isoliert fühlen und möglicherweise in Zukunft vermeiden, in ähnlichen sozialen Situationen aktiv zu sein.
Wie macht sich Scham bemerkbar?
Scham ist ein tiefgreifendes Gefühl, das sich auf verschiedene Weisen bemerkbar macht. Oft äußert sich Scham durch körperliche Symptome wie Hitzewallungen, ein rotes Gesicht oder ein flaues Gefühl im Magen. Diese körperlichen Reaktionen können in sozialen Situationen besonders stark ausgeprägt sein, wenn man das Gefühl hat, beurteilt oder kritisiert zu werden. Emotionale Symptome sind ebenfalls häufig. Menschen empfinden oft eine innere Unruhe, Angst oder das Bedürfnis, sich zurückzuziehen. Es kann zu einem starken inneren Dialog kommen, der von Selbstkritik geprägt ist. Gedanken wie „Ich bin nicht gut genug“ oder „Was werden die anderen von mir denken?“ können überhandnehmen und das Selbstwertgefühl stark beeinträchtigen. In sozialen Kontexten kann Scham dazu führen, dass man sich unwohl fühlt, nicht sprechen möchte oder sogar körperlich abwesend wirkt. Oft versuchen Betroffene, Scham zu verbergen, indem sie sich anpassen oder überkompensieren, was die emotionale Belastung weiter verstärken kann. Letztlich ist es wichtig, Scham zu erkennen und zu verstehen, um Wege zu finden, damit umzugehen und das eigene Selbstwertgefühl zu stärken.
Entdecke mehr von Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologische Beratung in Hamburg
Subscribe to get the latest posts sent to your email.