Ordnung – die Dosis macht das Gift (Teil 1)

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Ordnung

Die meisten Menschen werden mir wahrscheinlich zustimmen, wenn ich behaupte, dass Ordnung etwas Gutes ist.

Auch ich stimme dem Satz grundsätzlich zu, denn Ordnung ermöglicht es mir, den Alltag zu erleichtern. Wenn Schlüssel und Portmonaie feste Plätze haben, erspare ich mir langatmige Suchorgien.

Allerdings – die Dosis macht das Gift – fällt es mir in letzter Zeit vermehrt auf, dass Menschen es kaum aushalten, mit Zuständen konfrontiert zu sein, die nicht „in Ordnung“ sind.

Unordnung ist unübersichtlich und nur schwer kontrollierbar und verunsichert dadurch viele Menschen. Diese Verunsicherung zieht häufig Angst nach sich und diese Angst wiederum treibt Menschen an, schnelle Lösungen zu finden.

All das geschieht aus dem Wunsch heraus, es möge schnell alles wieder „in Ordnung“ sein. Denn dann wäre ja auch die Angst nicht mehr spürbar.

Doch da Veränderungsprozesse immer mit einer gewissen Unordnung einhergeht und Prozesse, also Entwicklungen, stets Zeit benötigen, gibt es nichts, was die dunkle Situation der Unordnung so erhellt, wie das Drücken eines Lichtschalter einen dunklen Raum.

Geduld hilft in einer Veränderungsphase

Denn hier sind Vertrauen, das Bewusstsein über die eigene Gestaltungskraft und Geduld gefragt. 

Innere Prozesse zu durchlaufen, braucht seine Zeit. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Angst kann nicht nur schmerzhaft und quälend sein, darüberhinaus kann es auch etwas dauern.

Aber erst, wenn diese Auseinandersetzung erfolgt und der daraus resultierende Entwicklungsschritt gegangen ist, haben wir eine nachhaltige Lösung. 

Das gilt für unsere persönlichen Entwicklungen genau so, wie für politische Entwicklungen. 

Der Wunsch nach einer schnellen Lösung, also der Wunsch nach einer Abkürzung führt langfristig immer in noch größeres Chaos.

Das lernt man häufig schon als Kind, wenn man – anstatt das Zimmer wirklich aufzuräumen – alles willkürlich in den Schrank stopft.

Dann sieht es zwar oberflächlich ordentlich aus, in Wirklichkeit hat sich das Chaos aber verlagert, wenn nicht sogar vergrößert, da es übersichtlicher ist, alles rumliegen zu haben, als alles in den Schrank zu stopfen.

Auch der Versuch, die Backzeit eines Tiefkühlgerichtes zu verkürzen, in dem man den Ofen statt auf 180°C auf 250°C stellt, ist nicht von Erfolg gekrönt.

Unsicherheiten

Unsicherheiten im privaten Bereich können zum Beispiel ausgelöst werden durch:

Das sind zugegebenermaßen alles Situationen, mit denen man sich nicht auseinandersetzen möchte. Frustrierend, traurig und beängstigend in unterschiedlicher Gewichtung sind die aufgeführten Situationen allesamt.

Doch woher weiß ich, dass ich mutig bin, wenn ich keine Angst kenne?
Doch woher weiß ich, dass ich für mich kämpfen kann, wenn ich nie mit Herausforderungen konfrontiert bin? 

Möglicherweise haben wir uns so sehr an den sicheren Zustand gewöhnt, in dem alles grundsätzlich funktioniert, dass jede auch noch so kleine Herausforderung sich für uns anfühlt, als sei sie eine Katastrophe. 

Möglicherweise haben wir verlernt, Probleme und Schwierigkeiten zu akzeptieren, weil wir uns nicht mehr darüber bewusst sind, dass wir die Fähigkeit haben, diese lösen zu können.

Möglicherweise haben wir verlernt, wahrhaftig miteinander zu kommunizieren und uns gegenseitig zuzuhören.

Da wird es beispielsweise zur Katastrophe, wenn ein (erwachsenes) Kind Entscheidungen trifft, die die Eltern nicht nachvollziehen können.

Dabei könnte das Thema mit Interesse, Offenheit, Verständnis, Kommunikation und Akzeptanz vermutlich relativ schnell geklärt werden.

Schmerz gegen Schmerz

Aber dafür ist es notwendig, dass wir selbst unsere eigene Komfortzone verlassen, und das kann im ersten Moment im wahrsten Sinne des Wortes schmerzhaft sein.

Wachstumsschmerz tritt nicht nur in den Beinen auf, wenn man in der Pubertät in die Länge schießt. Auch unser inneres Wachstum wird uns häufig mit Schmerz konfrontieren. So kann es sich beispielsweise so anfühlen, als würden familiäre oder freundschaftliche Beziehungen in die Brüche gehen, wenn wir uns entwickeln.

Denn wir geraten in diesem Moment in einen Zustand, der sich außerhalb der gewohnten Ordnung befindet.

Wenn wir unser Verhalten oder unsere Einstellung ändern, werden wir für die anderen erst einmal unbequem. Wir „funktionieren“ nicht mehr wie gewohnt.

Also beinhaltet unsere Veränderung auch den impliziten Appell, an unsere Freunde und Familienmitglieder, sich ebenfalls zu verändern.

Da ist es häufig einfacher, zu sagen: „Der/Die ist ja komisch drauf. da geh ich mal lieber auf Abstand.“

Dann steht Schmerz gegen Schmerz. Möchte ich den Schmerz des Vermissens nicht fühlen, dann muss ich mich dem Schmerz der Veränderung stellen und möchte ich den Schmerz der Veränderung nicht fühlen, dann muss ich mich dem Schmerz des Vermissens stellen.

Ob wir das also gut finden oder nicht: die beiden Begriffe Wachstum und Schmerz gehören unausweichlich zusammen.

Die Frage ist nur, ob wir den Wachstumsprozess wählen und damit den Schmerz in Kauf nehmen oder ob wir dem Schmerz aus dem Weg gehen möchten und damit eine innere Stagnation riskieren. 

Teil 2 lesen Sie hier.

Ordnung - Jan Göritz - Heilpraktiker für Psychotherapie, Psychologischer Berater, Psychotherapeut (HeilprG) in Hamburg
Foto: © Designpics / Adobe Stock

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